- ForscherInnen entwickeln virtuellen Sensor, der Behaglichkeit misst und prognostiziert.
- Behaglichkeitsvorhersagen eröffnen Spielraum für neue Maßnahmen, um die Energieeffizienz zu steigern.
- Simulationsergebnisse bieten einen Mehrwert für FachplanerInnen und Building Information Modeling (BIM).
Zu warm, zu kalt, zu zugig. Das Raumklima hat einen großen Einfluss darauf, wie wohl sich Menschen in Räumen fühlen und wie produktiv sie arbeiten. Trotz fortschreitender Digitalisierung in der Gebäudetechnik, wird die Behaglichkeit in Büroräumen bislang nur unzureichend berücksichtigt. Einerseits stehen im Gebäudemanagement vor allem die Energieeffizienz und die damit verbundenen Kosteneinsparungen im Vordergrund. Andererseits erfasst die Gebäudeleittechnik nicht alle benötigen Messgrößen, um Behaglichkeit zu ermitteln, da die Anzahl der verwendeten Sensoren und dadurch messbaren physikalischen Größen begrenzt sind. Direkte Befragungen der NutzerInnen sind wiederum zeitaufwändig und scheitern oft am geringen Feedback. Künftig könnten virtuelle Sensoren hier Abhilfe schaffen und für wesentliche Verbesserungen sorgen.
Virtueller Sensor misst, was nicht direkt messbar ist
Im Projekt COMFORT (Comfort Orientated and Management Focused Operation of Room condiTions), das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert wird, hat ein Team aus GebäudetechnikerInnen, BauingenieurInnen, SimulationsexpertInnen und DatenwissenschaftlerInnen einen virtuellen Sensor entwickelt, um Behaglichkeit mithilfe von Datengetriebenen KI-Modellen und Simulationsmodellen zu berechnen.
Da die Behaglichkeit nicht direkt gemessen werden kann – es also keinen Behaglichkeitssensor als Bauteil zu kaufen gibt – griffen die ExpertInnen auf eine geschickte Kombination aus Hard- und Software zurück: Einflussgrößen, wie Temperatur oder Massenströme, werden aus der bestehenden Gebäudeleittechnik bezogen und gezielt mit zusätzlichen Messwerten, wie Fensteröffnung oder Luftströmung, eines neu entwickelten, drahtlosen Sensornetzwerkes kombiniert. Dieses besteht aus rund 40 Knoten mit jeweils mehreren Sensoren und misst ähnliche Größen wie die Gebäudeleittechnik, aber statt einem Messpunkt pro Raum gibt es nunmehr zehn oder noch mehr. Zusätzlich werden noch Wetterdaten in die Datenbasis aufgenommen.
Bei den Simulationen wird der gesamte Energieverbrauch eines Gebäudes, der durch Heizung bzw. Kühlung entsteht, nachgebildet. Ebenso werden die Temperatur und die Luftströmung an jedem beliebigen Punkt im Gebäude simuliert. Bei der Vereinigung der vielen unterschiedlichen Datenquellen zu einer homogenen Datenbasis kommt das Big Data Prinzip zur Anwendung.
„All diese Daten zusammen bilden die Grundlage für die neuartige Kombination aus KI und Simulationsmodellen, in der beide Methoden ihre jeweiligen Stärken optimal entfalten. Beispielsweise sind KI-Methoden gut geeignet, um die langfristige Erwärmung in den Sommermonaten vorherzusagen, während die Simulation kurzfristige Schwankungen in der Luftströmung präzise bestimmen kann. Die Ergebnisse der KI-Methoden und Simulation gemeinsam speisen den virtuellen Sensor, der daraus einen Behaglichkeitswert ableitet“, erklärt Projektleiter Heimo Gursch vom Know-Center.
Bewährung im Praxistest
Der virtuelle Sensor wurde in Test-Boxen der Technischen Universität Graz und im Bürocampus der Firma LogicData in Deutschlandsberg auf seine Praxistauglichkeit überprüft. Dabei zeigte sich, dass eine genauere Bestimmung des Behaglichkeitsniveaus auch dabei hilft, Spielräume für energetische Verbesserungen zu identifizieren. Beispielsweise ergab eine Energiefluss-Analyse einen zu hohen Luftwechsel in einem der Testräume. Durch einen geringeren Luftwechsel konnte in diesem Fall der Energieverbrauch der Belüftung reduziert werden, ohne die Behaglichkeit zu vermindern.
Künftige Integration mit Building Information Modeling (BIM)
BIM ist ein Konzept, um Gebäude digital zu planen und nach dem Bau zu verwalten. Für die Erstellung von Simulationsmodellen werden dieselben Informationen benötigt, welche im BIM hinterlegt sind. Bislang gibt es aber noch keine Software-Werkzeuge, um die Informationen von BIM automatisch und vollständig in Simulationsmodelle umzuwandeln. Der größte Teil der Informationen muss von Hand übertragen werden und bei Änderungen im BIM erneut angepasst werden. Im Projekt wurde ein Anforderungskatalog erstellt, wie der Austausch zwischen BIM und den Simulationsmodellen künftig automatisiert erfolgen kann. Ein automatisierter Austausch bietet einen Mehrwert für FachplanerInnen und BIM-ManagerInnen, weil sie Simulationsergebnisse bereits in frühen Planungsphasen für Behaglichkeits- und Energieeffizienzbewertungen nutzen können.
Am Projekt COMFORT waren folgende Institutionen beteiligt: Know-Center, Silicon Austria Labs, FH Salzburg, das Institut für Wärmetechnik der TU Graz, EAM Systems GmbH, EUDT Energie- u. Umweltdaten Treuhand GmbH, Thomas Lorenz ZT GmbH, IKK Engineering GmbH, LOGICDATA, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik.